Die Saft-, Temperamentenlehre sowie das Riemann-Thomann Modell bieten im Coaching effektive Ansätze für Veränderung und Teamentwicklung. Sie helfen den Teilnehmern toleranter zu werden und persönlich zu wachsen. Für Coaches ist wichtig zu wissen, wie diese Modelle sich gegenseitig bedingen und mit dem heutigen Stand der Wissenschaft betrachtet angewendet werden müssen.

Alle Menschen sind nicht gleich! Diese lapidare Feststellung macht unser Leben einfacher, wenn wir uns dadurch eine kleine, emotionale Verschnaufpause gönnen. Was auf der persönlichen Landkarte gut, angemessen und richtig scheint, stößt bekannterweise nicht zwingend auf Gegenliebe. Woran liegt das?

Mehr Verständnis für den Menschen durch die Temperamentenlehre

Bereits die alten Griechen suchten nach Erklärungen, welche tiefer reichten als der offensichtliche Unterschied zwischen Menschen aufgrund ihrer Kultur, Erziehung, dem Lebensstil, den Tugenden oder Werten. Hippokrates von Kos, griech. Arzt, ca. 460–370 v. Chr., fand eine Antwort in der Vier-Elementen-Lehre und leitete daraus seine Temperamentenlehre als ein Persönlichkeitsmodell ab.

4-Elemente

Damals galten Luft, Wasser, Feuer und Erde als die Bestandteile, aus denen sich die Erde zusammensetzt. Die menschlichen Körpersäfte („humores“) wurden eingeteilt in gelbe Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim. Bei einem harmonischen Temperament sind die vier Säfte wohl gemischt. Überwiegt ein Saft, dann besitzt der Mensch einen ausgeprägten Charakter:

 

4 Temperamente

Das sich daraus entwickelnde Persönlichkeitsmodell ist bekannt und ziert, wie das Relief zeigt, auch heute noch eine Hauswand in Frankfurt.

 

Heutige Entwicklung

Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie und der Waldorfschulen, entwickelte eine Variante, bei der einseitig „temperierte“ Menschen je nach Umständen besondere Schwierigkeiten oder Stärken entfalten können.

In der empirischen Psychologie werden verschiedene Temperatmententheorien eingesetzt, z. B. Myers-Briggs-Typindikator, Keisery Temperament Sorter, Temperamentenmerkmale nach Strelau. Bei den einen geht es um Introversion versus Extraversion, Paarungen der unterschiedlichen 16, 32 oder mehr Temperamente, die auf Grundtemperamente basieren, bei anderen um Motivation und der damit verknüpften Aktivität und Reaktion.

Warum fühlt ein Mensch sich wohl, wenn er alleine ist und ein anderer gerade, wenn er nicht alleine ist?

Fritz Riemann, ein Psychoanalytiker aus München, formulierte in den 1950er-Jahren die Grundformen der Angst. Aus Gesprächen mit seinen Patienten schloss er, dass es Grundängste geben müsse. Diese Grundängste hätte Menschen als Baby und Kleinkinder durchlebt und sie formten u. a. später den Charakter.

Vier Grundängste, die zum Leben gehören

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/riemann-grundformen-der-angst/-/id=660374/did=10480804/nid=660374/1ghkiw2/index.html

Jeder Mensch trägt alle Wesenszüge in sich, das ist völlig normal und in Ordnung so. Die Typenbezeichnungen, die Klassifizierungen stammen aus der Psychiatrie und sind heute nicht mehr widerspruchslos zu übernehmen. Auch fehlen zwei Klassifizierungen, der Narzisstische und der Phobische Typ, die es zu Riemanns Zeit noch nicht gab. Nähe-, Distanz- Dauer- und Wechseltyp klingen unverfänglicher.

Hier ein paar Stichworte zu den Typen:

  • Distanztyp oder Schizoider Charakter:
    Existenzangst, Nähe und Bindung wirken gefährlich, Angst vor der Hingabe
  • Nähetyp oder Depressiver Charakter:
    Liebesentzug oder zu große Sicherheit, Angst allein zu sein
  • Dauertyp oder Zwanghafter Charakter:
    Schuld und Strafe, die Folgen des eigenen Verhalten verstehen, Strafangst, sich an das Gelernte und Vorgeschriebene halten, Angst vor der Veränderung
  • Wechseltyp oder Hysterischer Charakter:
    verhindert sich zu binden oder Verantwortung zu übernehmen, Angst vor dem Erleben des eigenen Unwerts

Das Riemann-Thomann-Modell

Christoph Thomann, Schweizer Psychologe, setzte an den vier Grundformen der Angst von Riemann an und entwickelte das Riemanns-Thomann-Modell. Er begründete die Klärungshilfe, eine neue Mediationsmethode.

https://de.wikipedia.org/wiki/Riemann-Thomann-Modell

Riemann-Thomann-Modell

Heimatgebiete

Jeder Mensch hat nun nicht mehr nur eine Grundausrichtung, sondern Schwerpunkte auf dem Riemann/Thomann Koordinatenkreuz. Dadurch entstehen Heimatgebiete, die durch die Grundrichtung der vorliegenden Situation und das Verhalten anderer beeinflusst werden. Die Verhaltensweisen sind nicht gut oder schlecht, sondern gleichwertig. Jeder Mensch kann alle Positionen einnehmen, wenn sich eine Rolle oder Reaktionsweise anbietet.

Konfliktklärung

Das Riemann-Thomann-Modell unterstütz Deeskalation, es erklärt Konflikte kognitiv in der Draufschau. Die am Coaching teilnehmenden Parteien verstehen das Fadenkreuz als sichtbares Hilfsmittel für ihre Positionen, die sie im Zentrum des Kreuzes bei Null starten und bis zu höheren und höchsten Werten in den Polen erweitern können.

Wenn auf einer Ebene keine Annäherung möglich ist, kann sie auf einer anderen gesucht und gefunden werden. Es wird deutlich, dass es sich jeweils nur um emotionale Momentaufnahmen handelt, die zu besonderen Kontexten gehören. Das eigene Verhalten und die Wirkung werden wahrnehmbar.

Einsatz fürs Coaching

Im Coaching begegnen uns Typenlehren auf vielfältigster Art und Weise. Sei es bei Personalentscheidungen, Persönlichkeits- oder Teamentwicklungen. Daher sollten wir den neuesten Stand kennen und wissen, wie stark sich heute Psychologie und Hirnforschung vernetzen, zu welchen Resultaten sie gelangen und wie wir diese Ergebnisse am besten fürs Coaching einsetzen können.

Das Riemann-Thomann Modell ist besonders für Teamcoaching geeignet, da hier auf dem Fadenkreuz Verhaltensoptionen erkannt und ausprobiert werden können.

Riemann-Thomann-TeamDie sogenannten Heimatgebiete stellen individuelle Rückzugsmöglichkeiten dar. Sie sind die Summe der häufigsten, der beliebtesten oder der am meisten gehassten Erfahrungen eines Menschen. Wir selbst können sie nur schwer wahrnehmen (Selbstbild), aber von außen sind sie für andere wiederum gut sichtbar (Fremdbild). Diese Möglichkeit kann im Coaching gezielt genutzt werden und bietet eine gute Reflexionsbasis. Ganze Teams und Berufsgruppen entdecken, dass sie sich in besonderen Heimatquadranten befinden, die in Zusammenhang mit Teamdynamik und Phasen der Teamentwicklung stehen. Daraus fällt es leichter, ein adäquates Beziehungs- und Toleranzmodell zu erstellen, das die momentanen Standorte einzelner oder der Gruppe, des Teams verdeutlicht.

Dauerhafte Veränderung durch Anlegen neuer neuronaler Muster ist mit Unterstützung von Coaching möglich, zumal wenn der Coach den bekannten Professor Gerald Hüther ernst nimmt und dessen Metapher „Gießkanne der Begeisterung“. Unsere größte professionelle Herausforderung dürfte es wohl sein, mit Coaching Gehirne so zu düngen, dass dadurch möglichst viele Botenstoffe ausgeschüttet werden.

Isabel Hammermann-Merker

Hier ist noch eine Adresse für einen kostenlosen Fragebogen mit dem Riemann-Thomann-Modell:
https://riemann-thomann-modell.plakos.de/

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